Bauerngeschichten aus Südtirol

BLÜTE

Im Gespräch mit Ricky Huber Ortler

Ein weiß-rosa Blütenmeer, das sich von der Talsohle bis in die Hügellagen erstreckt – das ist die legendäre Südtiroler Apfelblüte. Sie ist jedoch viel mehr als eine Wohltat fürs Auge und ein beliebtes Fotomotiv; sie ist die Grundlage für eine reiche Apfelernte im Herbst. Damit aus einer Blüte ein rotbackiger Marlene® Apfel entstehen kann, müssen verschiedene Faktoren zusammenspielen: die Bestäubung durch die Bienen und nicht zu kalte Nächte. Das ist aber noch nicht alles. Die zarten Blüten und Triebe sind unterschiedlichen Gefahren ausgesetzt. Wie ich sie davor schütze, davon erzähle ich dir jetzt.

#bäuerin&more

Hallo, ich heiße Ricky Huber Ortler. Eigentlich bin ich gelernte Glasmalerin, aber ich arbeite seit Jahren als Bäuerin und Apfelbotschafterin. Für unsere Hofbrennerei entwerfe, dekoriere und bemale ich die Flaschen händisch. Die des Apfelbrands „Delia“ zum Beispiel sind alles Unikate.

#dreamteam

Den Hof in Eppan bewirtschafte ich gemeinsam mit meinem Mann Toni und unseren zwei Söhnen. Hier gibt es das ganze Jahr über eine Menge zu tun! Im Frühjahr, wenn die Apfelbäume blühen, müssen wir besonders wachsam sein – auch in der Nacht.

#herausgeputzt

Du musst wissen, dass die Blüte im Lebenszyklus des Apfels unglaublich wichtig ist. Sie ist die Basis für die Frucht. Wenn der Baum blüht, stellt er sich in seinem schönsten Kleid zur Schau, um Bienen, Hummeln und Wespen für die Bestäubung anzulocken.

#vonblumenundbienen

Aus den Blüten holen sich die Bienen ihre Nahrung, den Nektar. Gleichzeitig bleibt dabei der Blütenstaub an den Beinen hängen, den sie zur nächsten Blüte weiter tragen und sie so bestäuben. Die Bienen sind für die Befruchtung am wichtigsten. Es gibt zwar auch die Windbestäubung, bei der der Wind die Pollen von Blüte zu Blüte trägt. Das präzise Arbeiten der fleißigen Bienen kann man damit aber nicht vergleichen.

#fleißig #treu

Außerdem sind Bienen blütentreu: Wenn sie mit der Nektarsuche bei einer Apfelblüte beginnen, dann bleiben sie auch dabei. Hummeln und Wespen nehmen es damit nicht so genau. Nur wenn die Bienen eine Blüte vollständig bestäuben, entsteht ein wohlproportionierter Apfel. Sonst wächst er schief oder einseitig.

#bauern&imker

Während der Blütezeit arbeiten wir eng mit Imkern zusammen. Sie bringen die Bienenvölker in die Apfelwiesen. Im Gegenzug verpflichten wir uns dazu, währenddessen keine für die Bienen schädlichen Pflanzenschutzmittel zu verwenden. Wir wollen und müssen diese wertvollen Insekten schützen!

#aufnummersicher

Apfelbäume blühen in Büscheln. Die erste Blüte, die in der Mitte aufspringt, ist die Königsblüte und bringt auch den schönsten Apfel hervor. Rate mal, wie viel Prozent der Blüten eines Baumes befruchtet werden müssen, damit genug Äpfel reifen?
Die Lösung: drei bis acht Prozent! Die Natur ist großzügig, denn der gesamte Reifezyklus von der Blüte bis zum Apfel ist sensibel. Einiges kann schief gehen.

#wunderschön #aberverletzlich

Ich vergleiche die Blüte mit einer offenen Wunde. Viren, Bakterien, Pilzsporen oder andere Schädlinge haben oft leichtes Spiel und können Schaden anrichten. Doch wir sind auf der Hut.

#gefahr #nachtfrost

Während der Blütezeit kann Nachtfrost kleine Äpfel oder unschöne Frostringe verursachen. Im schlimmsten Fall erfrieren die Blüten ganz – und die gesamte Ernte ist gefährdet. Zum Glück gibt es den Frostwarndienst! Wenn der Alarm losgeht, müssen wir schnell handeln, egal zu welcher Uhrzeit. Mein Mann oder einer meiner Söhne fährt zur Apfelwiese, um die Beregnungsanlage einzuschalten. Dann heißt es abwarten.

#eisgegenkälte

Man muss nämlich genau die richtige Temperatur treffen, damit das Wasser an der Blüte gefrieren kann. Nicht zu warm, zu kalt auch nicht – am besten unter Null Grad. Was passiert dann? Das Wasser fällt auf die Blüten und gefriert zu Eis. Genau das ist der Schutz für die Blüte: Beim Gefrieren gibt das Eis Energie ab, die Erstarrungswärme. Sie sorgt dafür, dass die Temperatur im Innern der Eisschicht nicht unter Null Grad sinkt. Die Beregnung schalten wir erst ab, sobald die Sonne das Eis schmilzt.

#lichtimdunkeln

Nicht alle Bauern haben genügend Wasser für die Frostschutzberegnung. In gefährdeten Standorten greifen manche Bauern auf Frostkerzen zurück oder machen ein kleines Feuer, um ihre wertvollen Blüten zu schützen. Unzählige Flammen heben die Umgebungstemperatur und schützen die Blüten. Glaub mir: Wenn die Frostnächte aufhören, atmen wir alle auf – aber die Arbeit geht weiter.

#äpfelzupfen

Im Juni, wenn sich die Äpfelchen ausbilden, machen wir uns ans „Zupfen“. Dabei lassen wir pro Knospe zwei Jungäpfel stehen und dünnen die restlichen aus. So wird der Baum nicht überlastet. Hier brauche ich Fingerspitzengefühl: Wenn ich zu viele Äpfel am Stiel lasse, dann bleiben sie klein, weil sie nicht genügend Nährstoffe erhalten. Zupfe ich hingegen zu viele ab, dann werden die Äpfel zu groß. Wenn ich im Herbst schöne Äpfel ernte, weiß ich: Die Mühen, die Blüte zu schützen, haben sich gelohnt!